11. September 2024

Haushaltsdebatte: Einzelplan 14 (Verteidigung)

Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Wehrbeauftragte!

Ich habe dieses Jahr meinen Geburtstag an einem ungewöhnlichen Ort für einen Geburtstag verbracht, nämlich in Pabradė. Pabradė ist in Litauen; dort haben dieses Jahr mehrere NATO-Übungen stattgefunden. Die letzte große NATO-Übung im Baltikum dieses Jahr wurde von Deutschland geleitet. Insgesamt haben 90 000 Soldaten im ersten Halbjahr geübt, darunter viele Deutsche. Wir als Abgeordnete im Verteidigungsausschuss sind es gewohnt, dass wir uns in den Kasernen in Deutschland,
im Ministerium und auch bei den Auslandseinsätzen anschauen können, was mit dem Geld passiert, das wir im Einzelplan 14 verbuchen. LV/BV können wir zum Glück
noch nicht besichtigen. Noch sind wir an einem Punkt, an dem man Menschen glauben machen kann, dass „Kita statt Panzer!“ ernsthafte Politik ist. Ich halte es nicht für seriös.
(Beifall des Abg. Karsten Klein [FDP] – Zuruf
des Abg. Ali Al-Dailami [BSW])
In Pabradė habe ich aber einen Eindruck bekommen, was es für die Soldatinnen und Soldaten heißt, den Ernstfall zu üben. Dort wird geübt, wie Russland angreifen könnte, und nicht, ob. Dort wird geübt, wie die NATO sich verteidigt, und nicht, ob. Und auch wir hier in diesem Hohen Haus sollten uns fragen, was unsere Verantwortung ist, wenn wir es für möglich halten, dass Russland die NATO angreift, und uns nicht in irgendwelchen sinnlosen Debatten darüber verlieren, ob das überhaupt möglich ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU und der FDP)Der Minister hat es schon ausgeführt: Die Ampel hat
Verteidigungsausgaben über den EP 14 und das Sondervermögen so hoch wie nie möglich gemacht. Das machen wir nicht, wie es in der Unterstellung gerade von links wieder hieß, weil wir die Rüstungsindustrie unterstützen wollen, sondern das machen wir, weil wir das ernst nehmen, weil wir es für möglich halten, dass Russland die NATO angreifen könnte. Ich kenne auch die Argumente, die genannt werden:
Das lohnt sich ja gar nicht für Putin. – Warum sollte er das
tun? – Er wird doch gegen die NATO verlieren. – Welche
Gründe hätte er denn? – Hier rationales Vorgehen anzunehmen, sollten wir an dieser Stelle vielleicht nicht tun; denn auch der Angriff Russlands auf die Ukraine
hat sich für Russland nicht gelohnt. Putin schaut nicht
darauf, wie stark Russland ist, sondern Putin schaut darauf, wie vermeintlich schwach die andere Seite ist. Die Ukraine ist Kriegspartei geworden; sie wollte es nie.
Auch ich will, dass wir es nicht werden. Aber ich will, dass, wenn wir es werden, wir darauf vorbereitet sind, das auch entsprechend abwehren zu können.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,
bei der SPD und der FDP)
Ja, wir tun viel, viel mehr als andere vor uns. Trotzdem – das haben mir viele auch gesagt –: Wir tun nicht genug. Ich will einmal das Innen und das Außen zusammenbringen. Wir haben über den Sommer beobachtet, was seit Anfang August über Brunsbüttel passiert. Da wird, so sieht es aus, ein Ziel ausgespäht. Wir haben die
Sabotageverdachte mitbekommen. Wir sehen die Desinformationskampagnen, die vom Kreml gesteuert werden. Wir sehen das Strategiepapier, in dem der Kreml
genau aufzeigt, welche Fraktion, welche Partei man wie
unterstützen sollte, weil sie die Narrative aus Moskau mit unterstützen.
Wir wissen, dass wir hohe Bedarfe haben – meine Kollegin hat es schon angesprochen – bei der kritischen Infrastruktur. Thema Gesamtverteidigung: Reden Sie mal mit den Ländern, was da noch nötig ist! Bei den Themen „Zivilschutz“ und auch „Unterstützung der Ukraine“ geht es um so hohe Summen, von denen wir hier reden, dass ich, ehrlich gesagt, finde, dass das Gerede, das jetzt wieder aus der Union kam: „Da könnte man doch da noch ein bisschen kürzen und da noch ein bisschen kürzen“,
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Haben wir gar
nicht gesagt!)
so was von unseriös ist. Wer so redet, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Union – –
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Wer hat denn so
geredet, Frau Nanni?)
– Sie haben so geredet.
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nee!)
– Nee? Ach so, stimmt. Sie sagen ja gar nicht, wo das
Geld herkommen soll. Beim Bürgergeld kann man
20 Euro kürzen, und dann reicht das alles.
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Also, was denn jetzt? Sagen wir es, oder sagen wir es nicht? Sie müssen sich jetzt mal entscheiden!) Wir reden hier von so hohen Summen, dass man so unseriös darüber nur reden kann, wenn man gar nicht mehr
vorhat, zu regieren,
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Sie sind unseriös!)
und zwar die ganzen nächsten Jahre nicht. Dann kann man so reden, sonst nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir müssen jetzt aus diesem Haushalt rausholen und optimieren, was geht, auch im Einzelplan 14. Ich hätte mir da auch mehr gewünscht. Den großen Wurf wird dieses Parlament nicht mehr hinbekommen. Der muss an anderer Stelle stattfinden. Ich wünsche uns allen zusammen trotzdem konstruktive Verhandlungen. Es geht um die Sicherheit unseres Landes und um Europa. Da braucht es mehr als die Wiederholung von GroKo-Streitereien
(Florian Hahn [CDU/CSU]: Das sind Ampelstreitereien!) und irgendwelchen Schuldenbremsenmythen usw.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin!
Sara Nanni (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Da braucht es eine ernsthafte Auseinandersetzung darüber, wie wir es hinbekommen, und nicht darüber, was alles nicht geht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)